Frage von einem anonymen Claninchen: „Hi Hasi, ich zeichne sehr gern, aber ich beende meine Zeichnungen nie. Ich fange sie an, verliere aber schnell die Lust daran. Dann landen sie in der Ecke und ich will sie eigentlich gar nicht mehr ansehen. Ich vollende meine Zeichnungen nie. Was kann ich tun, um mich dazu zu bringen, meine Zeichnungen vollenden zu können?“

Wäre es nur die mangelnde Lust, würde ich sagen, ändere deine Einstellung. Manchmal hat man das Gefühl, super motiviert an eine neue Zeichnung zu gehen, aber dann die Lust und die Geduld zu verlieren. In dem Fall wäre es eine Einstellungsfrage, bei der man sich Gedanken machen sollte, ob man wirklich mag, was man tut, ob man zu schnell ausbrennt, ob man sehr begeisterungsfähig ist, aber es an Geduld und Disziplin mangelt, etc.

Dein zweiter Satz zeigt aber, dass Geduld oder Disziplin hier nicht das Problem sind. Du sagtest, „du willst die Zeichnungen nicht mehr ansehen“, was ein bisschen darauf hinweisen könnte, dass du Perfektionist bist.

Toxischer Perfektionismus

Über Perfektionismus hab ich schon mal geschrieben. Perfektionismus ist an sich nichts Schlechtes. Der Wille, sich ständig zu verbessern, ist etwas sehr Gutes. Schwierig wird es nur, wenn man nicht gelernt hat, dass Fehler ein Antrieb sind, um besser zu werden, sondern dass Fehler etwas Schlechtes sind, das man vermeiden muss. Die falsche Auffassung von Fehlern habe ich in meinem Buch 24 Irrtümer erklärt. Grundsätzlich führt das zum toxischen Perfektionismus. Das ist die Art von Perfektionismus, die einen dazu bringt, zu hassen, was man tut. Man sieht eine Zeichnung an, findet sie fehlerhaft und unvollkommen. Sie entspricht nicht einem (sehr unrealistischen) perfekten Standard, den man erreichen will. Deswegen bricht man seine Arbeit ab, wirft sie weg und will sie nie wieder ansehen.

Dieses Problem haben nicht nur Zeichner. Das haben sehr viele Leute, auch viele Claninchen der Community. Ich hatte das auch eine ganze Weile mal.

Was kann man nun dagegen tun?

Dieses unangenehme Gefühl, der Fehlerhaftigkeit und Unvollkommenheit, gilt es loszuwerden. Das kann man aber nicht von heute auf Morgen. Man hat sich dieses Gefühl über Jahre antrainiert und muss es sich ebenso wieder abtrainieren.

Zeichnungen vollenden, aber wie?

Du kannst diesen Prozess aber aktiv unterstützen. Nimm dir zehn Minuten Zeit. Stoppe die Uhr, damit es auch wirklich zehn Minuten sind. Zeichne in den zehn Minuten ein Bild so gut du kannst. Du wirst in diesen zehn Minuten damit nicht fertig werden und sicher wird das ungute Gefühl aufkommen, dass das Bild unvollkommen ist.

Aber!

Dein Unterbewusstsein wird zumindest den zehn Minuten eine Art von Fertigstellung zusprechen. Egal, ob die Zeichnung fertig ist oder nicht, die Uhr ist es auf jeden Fall. Das wird dieses Gefühl der Unvollkommenheit ein wenig schmälern und etwas leichter machen. Mach diese Übung für eine Woche täglich. Erhöh dann die Zeit auf eine halbe Stunde. Wichtig ist, dass dir vorher immer bewusst sein muss, dass das Bild nicht fertig wird, damit du aufhörst, den Anspruch an dich zu stellen, (unrealistische) Perfektion abzuliefern.

( )_(✿)
(◉u◉ )o ⌒*:・゚✧
HasiAnn

 


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