Frage von BeamitHut: „Hi Hasi. Wann ist man diszipliniert? Ich stecke in einem Dilemma. Ich bin Künstler und muss demnach viel üben. Ich habe nicht immer Lust dazu, dann muss ich mich ein bisschen dazu zwingen. Du hattest gesagt, wenn ich mich aber zwinge, dann stimmt was mit meiner Einstellung nicht. Jetzt bin ich verwirrt. Wenn ich mich nicht zwinge, dann bin ich faul. Aber wenn ich mich zwinge, dann stimmt was mit meiner Einstellung nicht.“

Zwang und Disziplin

Zwingen zur Arbeit ist immer so eine Sache. Viele verwechseln Zwang gern mit Disziplin. Das ist verständlich. Disziplin hat ja auch irgendwo was damit zu tun, dass man sich zwingen muss, auch wenn man grad keine Lust dazu hat. 

Ich persönlich habe einen gravierenden Unterschied zwischen Zwang und Disziplin gefunden. Das beantwortet auch gleich deine Frage danach, warum man durch zwingen eine falsche Einstellung hat. Und ich erkläre auch, wie man das ändern kann.

Das, was Zwang von Disziplin unterscheidet, ist ein Ziel. Man könnte grob vereinfacht sagen, Zwang + Ziel = Disziplin.

Was meine ich damit? 

Ich könnte jetzt beispielsweise rausgehen und ein Loch graben. Das wäre vermutlich sehr anstrengend und würde eine Menge Zeit fressen. Höchstwahrscheinlich würde ich auch noch meine Nachbarn anpissen, weil ich ihren Rasen umgrabe. Ein Loch zu graben hätte also vorn und hinten keinen Sinn. Wenn ich es aber machen will, dann müsste ich mich dazu zwingen. 

Eine Sache durchzuhalten, die man selbst für sinnlos oder gar bescheuert hält, ist Zwang. 

Zwang kann beispielsweise auch von einem Chef kommen, der einen dazu zwingt, jede einzelne Schraube im Fundus zu zählen. Für jeden mit zwei Gehirnzellen wäre das eine bescheuerte Handlung. Wieg doch einfach den Kram. Aber nein, dein Chef zwingt dich dazu. Wenn du also nicht morgen die Kündigung an der Backe haben willst, musst du dich wohl oder Übel auch zu dieser Handlung zwingen. 

Oder noch ein anderes Beispiel: Du willst rausgehen und joggen, weil, keine Ahnung, die im Fernsehen haben gesagt, dass man das so machen muss. Also gehst du raus und joggst und findest es scheiße. Es ist anstrengend, es frisst Zeit und du kommst am Ende eh wieder da an, wo du hergekommen bist.

Oder nehmen wir was griffiges für uns Künstlerleins: Anatomie- und Aktstudien sind super nervig und langweilig. Angucken, malen, angucken, malen, angucken, malen, wieder und wieder und wieder und wieder. Sowas täglich zu exerzieren ist mit einer Menge Zwang verbunden, anders geht’s nicht. Oder doch?

Was haben diese vier Szenarien gemeinsam? Ihnen fehlt ein Ziel. Fügt man zu dem Zwang ein Ziel hinzu, ändert man seine Einstellung. Diese geänderte Einstellung macht aus dem Zwang Disziplin.

Wie wird Zwang zu Disziplin?

Ja, Anatomiestudien sind nervig und langweilig. Ohne ein Ziel vor Augen wäre das Zwang. Aber jetzt fügt man ein Ziel hinzu: Besser in Anatomie werden. (Es gibt eine recht gute Technik, wie man sich wirksame Ziele setzt, aber das ist Stoff für einen anderen Artikel) Wenn man sich als Künstlerlein permanent vor Augen hält, dass jeder Strich, den man zeichnet, dazu führt, dass man besser im Zeichnen wird, dann ändert man seine Einstellung zu Anatomiestudien von „boah, nicht schon wieder Scheiß“ zu „wieder ein Stück näher an Anatomie-Meister“. 

Bei dem Beispiel mit dem Joggen könnte man auch das einfache Ziel reinrühren, fitter zu werden und gesünder zu leben, die Couchpotato hinter sich zu lassen und seinen Kreislauf in Schwung zu bringen, sodass man nicht mehr anfängt zu japsen, wenn man eine Treppe hochsteigen muss. Mit einem Ziel ändert sich die Einstellung von „joggen ist langweilig und anstrengend“ zu „nie wieder Treppe hochjapsen“. 

Im zweiten Beispiel könnte man den Chef einfach mal fragen, warum man die Schrauben zählen soll, anstatt sie einfach zu wiegen und dann gibt er direkt das Ziel vor, beispielsweise weil es um eine genaue Inventur geht, nicht um eine Schätzung. Irgendein komisches Amt will eine genaue Inventur haben und wenn man das nur Schätzen würde und zu weit daneben liegt, dann gibt’s ne saftige Geldstrafe für das Unternehmen und ’ne daraus resultierende Weihnachtsgeld-Kürzung. Das macht die Aufgabe nicht weniger nervig, aber mit dem Ziel der Inventur wird aus dem nervigen Zwang gewollte Disziplin. 

Ich könnte genauso das Ziel haben, einen Baum zu pflanzen und schon habe ich meine Einstellung zum Graben eines Loches komplett geändert. Von einer stumpfsinnigen Aufgabe, zu der ich mich zwingen musste, hin zu einer sinnvollen Aufgabe, für die ich Disziplin aufbringen muss. 

Zwang + Ziel = Einstellungsänderung = Disziplin

Kleines Nice-to-Know am Rande: Viele denken, das Gegenteil von Disziplin wäre Faulheit. Ist aber nicht so. Das Gegenteil von Faulheit ist Fleiß, nicht Disziplin. Das Gegenteil von Disziplin ist Befehl. Wenn man durch Druck von außen handelt, dann folgt man einem Befehl. Handelt man durch eigenen Antrieb, dann ist man diszipliniert.

( )_(✿)
(◉u◉ )o ⌒*:・゚✧
HasiAnn

 


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