Mangacharaktere erstellen: In meinem letzten Instagram Live Video wurde ich gefragt, wie ich denn die Charaktere für Fourth Instance entwerfe, sie seien ja so vielschichtig und interessant. Es kam eine kleine Diskussion auf, dass es für den ein oder anderen sehr schwierig ist, Charaktere zu entwerfen. Es gibt da eine Menge Probleme, die dabei auftreten, beispielsweise, dass man absolut keine Ideen hat, welche Eigenschaften er haben soll oder wie er am besten in die Story passt. Und wenn man dann doch eine Idee hat, verwurschtelt man sich sehr schnell in Stereotype und Klischees wie das dumme Blondchen, das gerettet werden muss und der starke Held, der fehlerlos ist.

Ich gebe daher hier einfach mal einen Leitfaden, den ich gern benutze, wenn ich neue Charaktere entwerfe und designe, sodass sie weder langweilig, noch plump, noch vorhersehbar werden, dafür aber Tiefe haben und vielschichtig sind. Und das Ganze münze ich auf den besonderen Fall, wenn ich wirklich absolut keine Ahnung und keine Idee habe, wie ich den Charakter entwerfen soll, wenn es keine Vorlagen gibt, keine Referenzen, keine grundlegende Vorstellung, keinen Plot, keine Storydetails oder irgendwas. Quasi ein weißes Blatt Papier ohne den Hauch einer Idee.

Mein Geheimtipp: Zufällige Wortgeneratoren

Was sind zufällige Wortgeneratoren? Ich gehe auf Google und suche nach „Random [Word] Generator“ (auf englisch sind die Generatoren besser, daher empfehle ich, englische Generatoren zu benutzen) und lass mir ganz zufällig ein Wort ausspucken. Auf dieser Grundlage baue ich den Charakter auf.

Das klingt vielleicht blöd und man könnte denken, da kommt am Ende doch nur totaler Murks bei raus, mit Eigenschaften, die überhaupt nicht zusammenpassen. Hold on. I’ll show you.

Wir machen das ganze mal an einem praktischen Beispiel.

1. Der Name

Zuerst brauchen wir einen Namen für unseren Persona. Wir gehen auf Google und geben ein „Random Name Generator“. Es gibt jede Menge sehr interessanter Namensgeneratoren. Wenn man in etwa weiß, welche Ethnizität der Charakter hat, welcher Kultur er angehört, welches Geschlecht er hat, kann man den Namen auch schon etwas eingrenzen. Es gibt Namensgeneratoren, die erfinden auch komplett neue Namen oder orientieren sich an Fantasy-Rassen oder Fandom-Rassen, etc. Guckt einfach mal durch die Namensgeneratoren, die euch Google ausspuckt und schon da könnte ihr auf jede Menge Ideen kommen, wie euer Charakter sein kann, noch bevor ihr den Namen bestimmt habt. Ich bin grad hier auf einer Seite gelandet, wo Random Minish-Namen generiert werden. Der erste, den ich bekommen hab, ist Kapari, aber das erinnert mich grad zu sehr an Campari und ich will nicht, dass mein Charakter wie ein Schnappsgesöff heißt. Der zweite Name, der mir gegeben wird ist Kestari. Den find ich süß. Machen wir ihn noch ein klein wenig süßer und hängen Peach als Nachname hinten dran.

2. Gegenteile

Was einen Charakter immer und zu jeder Zeit wahnsinnig interessant macht, ist, wenn er unvorhersehbar ist. Quasi wenn man erst mit der Erwartung spielt, er sei so und so und dann ist er plötzlich ganz anders. Kestari ist ein Minish-Name. Minish sind kleine pupsige Schnuffis, die Rubine im Gras verstecken. Wäre doch cool, wenn seine Rasse so absolut gar nicht süß wäre.

3. Rasse

Wir geben in Google ein „Random Race generator“ und das erste, was ich bekomme, was sehr weit weg von süß und niedlich ist, sind Warrior-Dragon-Hybrids. … Ok, wir haben also einen Kriegerdrachen mit dem Namen Kestari Peach…. Alta. Aber ich meine, darum geht es ja. Stellt euch vor, da kommt ein riesiger Drache angeflogen, verwandelt sich in einen episch aussehenden menschlichen Krieger und stellt sich mit quietschender Stimme als Kestari Peach vor. Ich glaube, bei diesem Anime würde ich erstmal denken wtf?! Wieso?! Was zum—?! Wieso?!?! Und genau das ist der Punkt. Wieso hat so ein epischer Krieger einen so quirligen niedlichen Namen?

4. Wieso?

Sobald ihr euch die Frage stellt, wieso, habt ihr den ersten Schritt in Richtung Idee und Inspiration getan. Jetzt hat euer Charakter eine Frage für euch aufgeworfen, die ihr beantworten und lösen müsst. Und schon ist der Charakter nicht nur für den Zuschauer interessant, sondern auch für euch. Jeder geht davon aus, dass ein blondes Mädchen irgendwann jammernd in den Armen eines Jungen enden wird. Jeder geht davon aus, dass der Held die Welt retten wird und dabei unglaublich gut aussieht. Jeder geht davon aus, dass der Schulhofrabauke wilde Haare und ein Pflaster auf der Wange hat. Bla bla bla. Alles schon mal gesehen, gelesen, gehört. Aber wer hat jemals von einem Kriegerdrachen mit dem Namen Kestari Peach erzählt? Ok, weiter im Text.

5. Ziel

Wenn ich zu den Charaktereigenschaften übergehe, fange ich immer mit dem Ziel an. Welches Ziel verfolgt Kestari. Und ich meine nicht, sich einen Kakao zu machen. Welches Lebensziel verfolgt er? Welchen Traum hat er? Was möchte er gern erreichen? Worauf arbeitet er hin? Warum ich ausgerechnet mit dem Ziel anfange, erkläre ich gleich. Wir geben in Google ein „random life goal generator“. Ich habe jetzt hier als erstes „Reunite with a family member“. Ist doch mal ein guter Anfang. Und das würde auch erklären, warum ein Kriegerdrache seinen süßen Namen nicht ändert. Er ist stolz auf ihn und auf seine Familie. Er will seinen Bruder wiederfinden und behält deswegen seinen Namen, in der Hoffnung, dass sein Bruder auf diese Weise ihn finden kann, obwohl ihm klar ist, dass er als epischer Krieger mit so einem Namen immer schief angesehen oder nicht ernst genommen werden wird.

6. Schwächen

Ich wähle das Ziel deswegen zuerst, weil ein Ziel schwer zu erreichen sein muss. Das Ziel ist ja der Endpunkt. Wenn der Charakter das Ziel einfach so erreichen würde, wäre es kein Ziel und eine Geschichte würde keinen Sinn machen. Es braucht Steine, die dem Charakter im Weg liegen. Nicht zwangsläufig Steine von äußeren Konflikten. Die kommen dann beim Plotting. Es geht eher um innere Konflikte, die entstehen, wenn der Charakter Schwäche zeigt und an seine Grenzen stößt. Wir geben bei Google ein „Random weakness generator“. Ich habe jetzt bekommen „Your character is forgetful, petty, socially awkward, and manipulative.“ Das ist prima, damit können wir arbeiten. Kestari ist vergesslich, was der Grund sein könnte, warum er seinen Bruder nicht finden kann. Er vergisst ständig, wo er ist. Kestari ist kleinlich und meckert an jedem bisschern herum. Kestari ist eine soziale Niete, mit anderen kann er einfach nicht, er ist als einsamer Wolf besser dran. Ständig kommt er in Situationen, wo andere versuchen, mit ihm Smalltalk zu halten, aber nichts weiter zurückkommt, als awkward silence. Aber Kestari ist manipulativ, was für ihn die einzige Möglichkeit ist, zu bekommen, was er will. Er schafft es nicht, andere ehrlich um etwas zu bitten. Um Hilfe zu bitten bedeutet für ihn Schwäche zu zeigen. Stattdessen manipuliert er sie lieber, was ihn ständig in Schwierigkeiten bringt.

7. Stärken

Ich wähle nach dem Ziel bewusst nicht zuerst die Stärken, weil die Stärken am einfachsten zu finden sind. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, wenn ihr die Stärken zuerst wählt, verhindert ihr, dass der Charakter interessant wird. Eigenschaften, die den Charakter zu seinem Ziel führen sind so leicht zu erstellen, weil Problemlösung leichter ist, als Probleme zu kreieren. Woran denkt ihr, wenn ihr hört, ein Krieger will ein Familienmitglied finden? Natürlich daran, dass der Charakter stark sein muss, zielstrebig, er muss einen guten Orientierungssinn haben, sozial sein, sich mit Leuten verständigen können und er muss gut kämpfen können. Merkt ihr was? Die Reise vom glorreichen, starken Helden wurde schon tausendfach erzählt. Genau das wollen wir nicht. Da wir die Schwächen schon bestimmt haben, müssen wir die Stärken drum herum bauen. Ich würde mit den Stärken auch sehr haushalten. Auf keinen Fall zu viele Stärken geben, sonst wird der Charakter wieder zu overpowered und wirkt unglaubwürdig. Zwei oder drei Stärken reichen schon aus. Wir geben auf Google ein „random strength generator“. Ich habe jetzt hier „Caring“ und „independent“. Einfühlsam find ich gut. Das ist Stärke, die gut in seine Schwäche, manipulativ zu sein, reinspielt, denn er muss emphatisch sein, um manipulieren zu können, gleichzeitig macht es ihm aber auch Gewissensbisse und er steht in ständiger Anspannung darüber, dass zu Manipulieren seine einzige Möglichkeit ist, mit anderen sozial zu interagieren, er aber gleichzeitig niemanden verletzen möchte, wenn der es nicht verdient hat. Er manipuliert mit einem schlechten Gewissen. Unabhängigkeit passt noch nicht ganz in die Idee vom Charakter. Wenn er so unabhängig ist, wieso sucht er dann so dringend nach seinem Bruder? Vielleicht sucht er gar nicht nach seinem Bruder, weil er ihn braucht, sondern weil er ihn töten will, weil er den Namen seiner Familie beschmutzt hat. Ihr seht, wohin so ein Wieso führen kann.

8. Random Zeug

Was immer gut kommt und für Überraschungen sorgt, sind Random Dinge, die dem Charakter noch ein paar Ecken und Kanten geben. Wir geben bei Google ein „random word generator“. Ich habe hier „biscuit, respect, sleep“. Aus dem Wort Respekt könnte man machen, dass Kestari diverse Sicherungen durchbrennen, wenn sich jemand über seinen Familiennamen lustig macht und den Respekt nach Möglichkeit auch mit Gewalt einfordert. Aus dem Wort Keks könnte man machen, dass er wahnsinnig auf Kekse abfährt. Er ist sonst ziemlich unterkühlt und beherrscht, aber wenn ihm jemand Kekse anbietet, kriegt er einen ganz knuffigen Gesichtsausdruck, der seinem Namen alle Ehre macht. Aus dem Wort Schlaf könnte man machen, dass er Schlafwandelt, sogar ziemlich häufig. Er geht dabei immer den gleichen Weg. Vom Bett drei Schritte nach vorn, zwei zur Seite, dann steckt er sich, holt ein imaginäres Glas von einem imaginären Regal und holt imaginäre Kekse raus, die er dann isst. Jetzt kommt wieder die Frage: Wieso Kekse? Vielleicht sind Kekse das einzige und das letzte, das ihn mit seiner Mutter und seinem Zuhause verbindet, seit er sich auf den Weg gemacht hat, seinen Bruder zu finden. Der Geruch und der Geschmack geben ihm ein Gefühl, als sei er wieder daheim. Er ist zwar unabhängig, aber in solchen Momente spürt er wieder, wie einsam er ist. Wieder was für den Plot.

9. Eckdaten und Aussehen

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr in der ganzen Erklärung Kestari immer mehr vor euch gesehen habt. Bei so vielen Details über einen Charakter, baut man ihn sich unweigerlich im Kopf schon pi Mal Fensterkreuz zusammen. Ich denke die ganze Zeit an einen großgewachsenen, schlanken, gutaussehenden Krieger in dunklenblauer Lederrüstung mit einem Umhang und einer Tasche. Er hat schwarze lange Haare, dunkle, ernste Augen und einen erhabenen Gesichtsausdruck. Aber Vorsicht: Die Vorstellung, die bei euch jetzt im Kopf entsteht, ist an jede Menge Klischees und Vorurteile gebunden und wirkt wieder sehr dem Überraschungsmoment entgegen. So einen hübschen, ernsten Krieger hat jeder schon mal gesehen und so schnell, wie man ihn gesehen hat, hat man ihn auch schon wieder vergessen. Das heißt nicht, dass man jetzt auf Teufel komm raus den hässlichsten Gnom aller Zeiten kreieren soll, aber es hilft, wenn man auch für Eckdaten wieder einen Generator benutzt, wie Alter, Geburtstag, Größe, Gewicht, Haarfarbe, Augenfarbe, körperliche Merkmale wie Narben, Beulen, fehlende Gliedmaßen und so weiter. Kestari Peach ist 1,51m groß, also wirklich sehr klein, was es ihm nochmal schwerer macht, respektiert und ernst genommen zu werden. Um so überraschender ist es, wenn aus dem kleinen Peach eine rasende Kampfmaschine wird. Kestari hat am dritten Tollon nach dem Erntemond Geburtstag. Er wiegt gerade mal 45 Kilo, ist also ein ziemlicher Lauch. Er hat dunkelgrüne, splissige lange Haare und braune Augen. Seine Schuppenfarbe, wenn er ein Drache ist, ist auch dunkelgrün. Sein gesamter Rücken ist vernarbt (der Grund dafür passt auch ganz hervorragend in den Plot) und er hat eine Zehe zu viel. Er benutzt ständig die Phrase „wie schon gesagt“ und er hat abgenagte Krallen. Kleidung, Ausstattung, Equipment, Habseligkeiten, Reichtum, Besitztümer und so weiter kann ebenfalls alles generiert werden.

10. Wichtig!

Ein Charakter, so bunt und widersprüchlich er auch sein mag, wird immer dann glaubhaft, wenn der Autor einfach alles über ihn weiß. Seine Stärken, seine Schwäche, seine Herkunft, seine Vorlieben, seine Abneigungen, seine Ziele, seine Ängste. Je mehr Dateils du über deinen Charakter weißt, um so glaubwürdiger kann er später in der Geschichte agieren. Wenn du einen Helden erschaffst, von dem du nur weißt, dass er stark ist, wird er unglaubwürdig, wenn er im Plot plötzlich Höhenangst bekommt, weil das halt gerade so reinpasst oder weil man irgendeinen Plottwist brauchte. Wenn du aber von deinem Helden weißt, dass er Höhenangst hat, kannst du dem Leser vorher schon erzählen, wie der Held als Kind vom Baum gefallen ist oder sein Bruder sein liebstes Spielzeug in einen tiefen Abgrund geworfen hat oder er gesehen hat, dass seine Mutter es nicht schaffte, über einen Abgrund zu sehen oder wenn du vorher in Szenen schon beschrieben hast, dass er aus irgendwelchen Gründen tiefe Schluchten oder Brücken meidet. Du musst von deinem Charakter vorher wissen, wie er sich in bestimmten Situationen verhält und warum er sich so verhält. Der Leser muss die Hintergründe nicht zwangsläufig kennen, aber DU musst sie kennen, um deinen Charakter glaubhaft durch die Geschichte zu steuern. Der Leser merkt es – ob nun bewusst oder unbewusst – wenn du deine Charaktere nicht kennst.

Und da haben wir ihn, Kestari Peach, einen zu kurz geratenen, manipulativen Kriegerdrachen, der seinen Bruder finden will und beim Schlafwandeln Kekse nascht. Hätte ihr gedacht, dass sowas dabei rauskommen würde? Ich auch nicht. Aber es ist mal was anderes, als der Held in strahlender Rüstung, der die holde, blonde, wunderschöne, unselbstständige Maid rettet.

Ihr müsst natürlich nicht für jedes Detail einen Generator verwenden, aber Zufallsgeneratoren helfen dabei, eine Idee zu bekommen, wenn euch gerade nichts einfällt, außer gelernte Klischees und Sachen, die man schon tausend mal gesehen hat.

 


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5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Zitat:“….pupsige Schnuffies…“, Zitat Ende, naja ein Teil und WTF |D lol, sowas Süßes xD
    Und jaa, die sind voll niedlich X3

    Das ist sehr gut beschrieben zum Thema. Ich selber habe das Problem ja zum Glück nicht mehr^^

    Liebe Grüße :3

    Antworten
  • PsychoRabbit
    17. Mai 2018 9:28

    XD Bessere Ordnung als bei mir. Ich mache meine OCs nach nnehr art Themen prinzip zum Beispiel entstand mein OC Twyla daraus das ich ne negativ Version von meinem Chara wollte…like a Chan and a Lucy xD mittlerweile fungiert sie als ne Art böse Persönlichkeit xD (ich habe keine Ahnung was fungiert für ein Wort ist xD)

    Antworten
  • Mal ne Frage: Hast du irgendwelche Generatoren, die du empfehlen kannst?
    Bei mir kommt bei google immer nur mist raus ^^´

    Antworten

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